Dazwischen

21.07.2019 – 23.12.2019

Dazwischen war noch Platz. Nicht viel, aber genug für kleinere Formate. Vor dem Zwischen waren bereits die großen Leinwandbilder von François Morellet da. Linien und Striche, kurz oder lang, vertikal oder diagonal, systematisch berechnet oder nach dem Zufall verteilt, immer schwarz auf weiß.

Zwischen diese Morelletschen Geradlinigkeiten mischt sich nun eine bunte Reihe von Bildern und Objekten, die über einen Zeitraum von 50 Jahren gesammelt wurden, exakt 18 Werke von 17 internationalen Künstlern.
Ein Kompendium der gegenstandslosen Kunst wird präsentiert, Arbeiten aus den Jahren 1926 bis 2007, von A wie Abstraktion (Willi Baumeister Schwebende Formen, 1938) bis Z wie ZERO (Bernard Aubertin Clous N°5, 1963).

Vieles bis Alles ist zu sehen: klassische konkrete Malerei von Max Bill (Transcoloration in 2 Zonen, 1965) und Anton Stankowski (Drüber-drunter, 1980), ein drehbares rot-gelb-blaues Holzrelief (1955) von Hermann Glöckner, weiße Monochromie der Gruppe Nul (Herman de Vries, juno - horizontaler Sägeschnitt 1962/63 und ohne Titel (Weiss) 1961), ein graugrüner Viertelkreis (Gray Green 1/4 Carved Area, 1966) des amerikanischen Minimal Art-Künstlers Robert Mangold.

Farbe in das Schwarz-Weiß bringt das früheste Werk der Ausstellung Relief Bleu Vert Rose (1926) von Marcel-Louis Baugniet. Die strenge Geometrie der Quadrate und Dreiecke wird durch die pudrig-pastellige Farbigkeit aufgelockert.

Die Verbindungen zu Morellets Werken sind vielfältig. Nicht zufällig hängt die Abracadabra-Schüttelbox (1944) von Man Ray zwischen den 20 und 40 Zufallslinien. Und die frühe Vibration (Sans titre, 1961) von Jesús Rafael Soto steht in ihren optischen Effekten den visuellen Irritationen, die Morellets Bilder ausüben, in keiner Weise nach.

Nicht weniger irritierend ist die Betrachtung der Strukturalen Konstellation (1961) von Josef Albers, das in Resopal geritzte, geometrische Flächensystem verändert sich vor unseren Augen ständig in ein mehrdeutiges, perspektivisches Raumgefüge.

Keine virtuelle, sondern ganz reale Bewegung steckt dagegen in der weiß-blauen, kreisrunden Scheibe Rotating Painting #111 (2002) von John Beech.

Weniger durch optische Effekte, sondern vielmehr durch die für das Jahr 1961 ungewöhnliche Auswahl der Materialien überrascht die Constellation von Arman.
In zufälliger Gruppierung wurden verschieden große, leicht verrostete Sechskantschrauben durch eine kleine, weiß bemalte Holztafel gebohrt und auf der Rückseite mit Muttern befestigt. Ganz im Sinne der Nouveaux Réalistes, zu deren Gründungs-mitgliedern Arman gehörte, wird so aus banalem Alltagsdingen ein ästhetisches Objekt.

Ebenfalls aus alltäglichen Materialien wie Fäden und umsponnenem Draht konstruiert die Engländerin Paule Vézélay ihre in Holzkästen gespannten Lines in space N°13 (1951).

Genauso schief wie die um 3° gekippte Leinwand von François Morellet, hängt Code 12788 (2007) von Steffen Schlichter. Bei der mit neutralgrauer Bodenfarbe lackierten Holztafel fallen auf effektive Weise 'Bildmotiv' und Aufhängungstechnik zusammen. So zitiert Schlichter zugleich das berühmte Motto von Morellet
"wie man mit möglichst wenig auskommt".

Zwischen Hommage und Zitat bewegt sich die Arbeit 1983 zu Matisse von Christian Wulffen mit den in einem schmalen Holzrahmen frei beweglichen, starkfarbigen Papierschnitten, wie auch das White Cross on Black (1991) des Australiers John Nixon, der ganz bewußt die Formensprache der russischen Suprematisten und Konstruktivisten fortführt.

Der Platz dazwischen ist nun besetzt. Die homogene Folge der Werke von François Morellet ist unterbrochen von sehr verschiedenen Dingen, die von Künstlern unterschiedlicher Generationen und Nationalitäten zu unterschiedlichen Zeiten geschaffen wurden. Trotz ihres kleinen Formats ziehen diese Kunstwerke den Blick auf sich, und der Betrachter kann sich fragen, wer nun eigentlich zwischen wem platziert wurde, all die Anderen zwischen Morellet oder umgekehrt.

Text: Gabriele Kübler
Fotos: Manfred Wandel