Unfinished/Finished

15.10.2017 – 25.02.2018

Wann ist ein Bild fertig? Wann ist eine Ausstellung fertig? Fragen, die gar nicht so leicht zu beantworten sind. Nicht zum ersten und vermutlich auch nicht zum letzten Mal wurden in der Stiftung für konkrete Kunst in eine bestehende Ausstellung weitere Exponate eingefügt. Dadurch ist eine neue Ausstellung entstanden, was aber nicht heißt, dass die vorherige nicht fertig war, sie war nur anders.

Unfinished/Finished
heißt die Serie von Christian Wulffen, die 2013 begonnen, auf 100 Bilder im gleichen Leinwandformat (45 x 35 cm) angelegt ist. Ungefähr die Hälfte ist bislang realisiert, 23 Arbeiten aus der Sammlung Manfred Wandel werden nun gezeigt. Das gemein- same Bildprogramm, ein vertikales Streifenraster, ist klar erkennbar, und doch ist jedes Bild anders.

Einmal exakt abgegrenzte, streng geometrische Linien und Flächen, daneben malerische, freie Pinselstriche. Weiß, Hellbeige, Hellgrau, Hellblau, die Farbpalette ist reduziert, die Acrylmalerei wirkt pudrig, pastellig. Diese formale und farbliche Zurückhaltung der Bilder wird allerdings empfindlich gestört durch die Tatsache, dass bei einigen von ihnen, über mehr oder weniger große Teile der Bildfläche längs und/oder quer Abdeckbänder gezogen sind. Und diese ganz gewöhnlichen Klebebänder, die normalerweise dazu verwendet werden, um perfekte Farbkanten zu erhalten, sind auch noch sehr salopp aufgeklebt. Die von Hand abgerissenen Klebestreifen tragen Farbspuren, liegen uneben auf der Fläche, stehen über die Seitenkanten hinaus. So sieht Malerei im Arbeitsprozeß aus.
Ganz offensichtlich spielt Wulffen in dieser Serie mit der Frage "Wann ist ein Bild fertig?" und liefert mit dem Titel Unfinished/Finished gleich eine Antwort dazu.

Eingebaut wurden Wulffens unfertig/fertige Arbeiten in die große Bilderwand der Ausstellung Kabinettstücke, die sich seit ihrer ersten Präsentation durch Neuerwerbungen stetig verändert hatte. Neue Künstlernamen kamen hinzu: Max Bill, Robert Mangold, Stef Stagel und ststs.

Durch die aktuelle Serie von Christian Wulffen und die damit verbundene Fragestellung verändert sich nun auch der Blick auf alle anderen Kunstwerke. Fertig oder unfertig? Ist diese Frage überhaupt zulässig, denn alle diese Künstler haben ja klar ihre Entscheidung getroffen. Trotzdem, zumindest in der einen Richtung können wir eine Antwort wagen, denn es gibt auf dieser Wand drei Werke, die eindeutig und unzweifelhaft 'fertig' sind. Das rote Nagelbild Clous fluorescents N°27 von Bernard Aubertin war fertig, als kein weiterer Nagel mehr auf der Holzfläche Platz hatte. Und bei der Carte de voyage, détail 1649170-1652139 von Roman Opalka passten einfach nicht mehr Zahlen auf das Papier. Und bei Steffen Schlichters Code 16682 ging sichtlich das Camouflage-Klebeband zu Ende. Bei Schlichter ist dieses spezielle Verfahren der Werk-Vollendung übrigens Prinzip.

Ob die Ausstellung in der aktuellen Konstellation nun endgültig fertig ist, läßt sich leider nicht sagen. Denn hier und da gibt es noch ein wenig Platz auf der Wand. Unfinished/Finished eben. Was übrigens auch für die Zukunft der Stiftung für konkrete Kunst gilt.

Text + Fotos: Gabriele Kübler