1986, also vor genau 30 Jahren, wurde in der Stuttgarter Galerie Beatrix Wilhelm die Ausstellung 1+1=3 Anton Stankowski und seine Freunde gezeigt. Anlass war der 80.Geburtstag des Künstlers, ein langjähriger enger Freund der Galeristin. Doch ein weiterer Grund war, einem anderen Freund, nämlich dem Sammler Manfred Wandel zum ersten Mal die Möglichkeit zu geben, mit Werken seiner privaten Kunstsammlung eine Ausstellung zu machen, seinen Wunsch zu erfüllen, Kunst nicht nur zu besitzen und als Leihgaben an Museen zu schicken, sondern selbst mit ihr zu arbeiten. Im Nachhinein betrachtet, hat diese Aktion und die positive Reaktion der Galeriebesucher auf diese spezielle Art der Präsentation wohl mit dazu beigetragen, dass exakt zwei Jahre später aus dem Sammler ein Stifter und Kurator wurde, dass 1988 die Stiftung für konkrete Kunst gegründet wurde.
2016 wird nun in den Stiftungsräumen die damalige Ausstellung unter dem Titel Stankowski & Co. rekonstruiert. Der Sinn dieser Wiederholung ist es aufzuzeigen, dass das was ursprünglich als einmaliges Experiment gedacht war, tatsächlich der Ausgangs- punkt war für die unkonventionellen Ausstellungskonzepte, die in der Stiftung für konkrete Kunst in den vergangenen 28 Jahren zu erleben waren.
Stankowski & Co. ist allerdings keine 1:1 Umsetzung. Die Exponate sind zwar dieselben, doch die extrem unterschiedliche räumliche Situation der beiden Ausstellungsorte, 1986 zwei kleine hohe Galerieräume im Gartengeschoss eines Wohnhauses, jetzt die 1000 m²-Etage eines historischen Industriegebäudes, führte notwendigerweise zu einer anderen Form der Präsentation.
Die Idee der Ausstellung, Werke von Anton Stankowski (damals wie heute ein Schwerpunkt der Sammlung Manfred Wandel) in Beziehung zu setzen mit Werken anderer Künstler, blieb jedoch unverändert erhalten. Zwölf Bildpaare, je eines pro Wand (plus drei Skulpturen) treten in Dialog oder Konfrontation. Streng konkret-konstruktiv geht es zu, wenn Stankowski auf André Heurtaux, François Morellet, Manfred Mohr oder Ad Dekkers trifft. Andere Paarungen, zum Beispiel mit Willi Baumeister, Man Ray oder Ulrich Erben, mit Bernard Aubertin, John McLaughlin oder Antonio Calderara entziehen sich solch eindeutiger Zuordnung, zeigen aber dennoch deutliche Korrespondenzen.
Die Arbeiten von Anton Stankowski, der rote Faden der Ausstellung, umfassen einen Zeitraum von 40 Jahren (1939-1978), doch wesentliche stilistische Unterschiede sind nicht erkennbar. Unter dem Einfluss des russischen Konstruktivismus und der De Stijl-Bewegung hatte Stankowski bereits1928/29 in der Gestaltungslehre seine Gestaltungsprinzipien formuliert. Von Anfang bis zum Schluß lauten seine Lehrsätze "Ästhetik ist Ordnung" und "Ästhetik ist Funktion". Kunst und Design sind untrennbar verbunden. Nicht nur die unzähligen, weltweit bekannten Markenzeichen, die der Künstler in seiner Tätigkeit als Werbegraphiker entwickelt hat, müssen 'funktionieren', das heißt einen Tatbestand visualisieren, sondern auch das 'schöne' Bild, die freie Kunst, dient bei Stankowski der Vermittlung von Wirklichkeit. Mit einem immensen Erfindungsreichtum, teilweise auch mit einer eigentümlichen Mischung aus Witz und Fröhlichkeit verwandelt Anton Stankowski Formen zu Zeichen, übersetzt Prinzipien wie Ordnung, Dynamik, Wachstum oder Progression in eine konstruktive Bildsprache.
Noch einmal: Stankowski & Co. ist keine 1:1 Umsetzung und deshalb gibt es in der aktuellen Ausstellung noch einen zweiten roten Faden, eine Art Markierungssystem. Auf jeder der 12 Wände, an immer der gleichen Stelle und in maximaler Entfernung zu den Bildpaaren, hängt jeweils ein kleines Block-Painting des australischen Künstlers John Nixon.
Auch er überschreitet die Grenze zwischen Kunst und Wirklichkeit, wenn auch in anderer Form und 40 Jahre später als Stankowski.
Mit seinen Experimental Painting Workshops steht Nixon zwar formal in der Tradition der radikalen Moderne, von Konstruktivismus, Ready-Made und Monochromie, doch zugleich stellt er mit seiner "Programmatik des kontinuierlichen Experiments" jegliche Tradition in Frage. Und so blickt das Unternehmen Stankowski & Co. nicht nur zurück auf die alten Freunde, sondern hat auch noch einen veritablen Nachfolger gefunden.
Gabriele Kübler 13.03.2016
Fotos: Manfred Wandel