Steffen Schlichter xyz_Werke 1993-2015

17.05.2015 - 04.10.2015

Der Zeitabstand ist außergewöhnlich gering. Ziemlich exakt
vor einem Jahr wurde die Ausstellung Differenzen von Steffen Schlichter in der Stiftung für konkrete Kunst eröffnet, nach
766 x in der Stiftung für konkrete Kunst (1997) und 766 x
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(2004), seine dritte Installation am selben Ort, im Dachgeschossraum der Stiftung. Trotzdem besteht keine Wiederholungsgefahr, droht kein Déjà-vu, denn die aktuelle Ausstellung ist, was Raum, Material und Konzeption anbetrifft, weit entfernt von dem, was vorher war.

Dreimal hat der Künstler direkt auf eine spezifische Raumsituation reagiert, indem er eine große Menge scheinbar gleicher 'Dinge' (766 Nagellöcher, 766 CDs, 100 Tapes) in mehr oder weniger geordneten, aber immer streng konzipierten Rastern über die Wände verteilte.

Die Ausstellung xyz_1993-2015 ist keine echte Retrospektive, dagegen spricht erstens das Alter von Steffen Schlichter (*1967) und zweitens die kaum mehr als 20 Jahre umfassende Zeitspanne der ausgestellten Arbeiten. Vielmehr hat der Besucher die Gelegenheit, sozusagen im Kurzdurchlauf die individuellen Such- und Findungsprozesse eines Künstlers mitzuerleben.

Von den Anfängen der 1990erJahre, die noch geprägt sind von Vorbildern, experimentierender Suche und von einer Vielzahl unterschiedlicher Materialien, Techniken und Konzepte, bis hin zu dem Punkt, an welchem Schlichter sein Thema, seine Formen und Materialien gefunden hat. Diese Entwicklung verläuft nicht in Sprüngen und Brüchen, sondern eher unmerklich, linear und sehr konsequent.

Bereits 1993 arbeitet Schlichter mit industriell gefertigten Materialien (Linoleum, PVC, Plastikfolien), wobei es sich zu dieser Zeit oftmals noch um nicht normierte 'Fundstücke' handelt, im selben Jahr entdeckt er sein bis heute allgegenwärtiges Trägermaterial, die Spanplatte.

Auch das Prinzip der Doppelung, der Mehrteiligkeit oder der seriellen Reihung charakterisiert seine Arbeit von Beginn an. 1995 tauchen die ersten Tapes auf (Klebeband auf Spanplatte) und zugleich mit ihnen die system- und materialbedingten Inkompatibilitäten, minimale Verschiebungen der Teile, der sogenannte 'Differenzfaktor'. Dieser wurde im Lauf der Jahre zu einem wesentlichen Kennzeichen von Schlichters Arbeiten und die Sichtbarmachung dieses Prinzips fand in der 2014 in der Stiftung gezeigten Installation Differenzen sicherlich ihren bisherigen Höhepunkt.

Über 160 Werke werden in der aktuellen Ausstellung gezeigt, wobei Klebeband und Quadrat eindeutig in der Überzahl sind. Doch dazwischen blitzt hin und wieder anderes auf: Rechtecke, eine Raute, ein Kreis, Wand- oder Stempelfarbe, Lack, Nähfäden, Spielböden, Transparentfolien, Malerei, Fotografie, Collagen, Monotypes und sogar zwei Schraubzwingen.

Und noch eine Anmerkung zum Titel: dessen XYZ bezieht sich nicht nur auf die von Steffen Schlichter bevorzugt praktizierte Technik der streng orthogonalen Klebetechnik, oder allgemeiner gesagt, auf seine auf Geometrie und Konstruktion, aber auch auf Zufall und Unordnung ausgerichtete Arbeit. Sondern XYZ meint ebenso das Konzept dieser Präsentation, welches in seiner strikt linearen und chronologischen Ordnung die Wände zum kartesianischen Koordinatensystem erklärt. Doch wie bei diesem geben auch hier die Richtungs-achsen nur den Rahmen vor, sozusagen das Spielfeld, auf welchem das eigentlich Interessante passiert: 20 Jahre eines Künstlers mit Linien, Kurven und Wendungen.

Gabriele Kübler 17.05.2015

Fotos: Manfred Wandel